Chinin

Chinin ist eine in Chinarinde vorkommende natürliche chemische Verbindung aus der Gruppe der Chinolin-Alkaloide. Es ist ein weißes, sehr schwer wasserlösliches, kristallines Pulver mit bitterem Geschmack, das als Bitter- und Arzneistoff eingesetzt wird. Ein Diastereomer von Chinin ist Chinidin.

Wirkung und Verwendung

Medizinische Verwendung

Chinin wird zur Behandlung von Malaria eingesetzt (besonders der komplizierten Malaria tropica); es verhindert die Bildung von nicht toxischem β-Hämatin in den Vakuolen der Blutschizonten aus toxischem Ferriprotophyrin IX durch dessen Komplexierung. Die Kristallisation von β-Hämatin verläuft entgegen früheren Annahmen nicht enzymatisch.

Die Malariabehandlung erfolgt über eineinhalb bis zwei Wochen mit oralen Gaben von Chininsalzen in Dosierungen, die mindestens 0,8 bis 1,0 Gramm freier Chininbase pro Tag entsprechen (z. B. Tagesgabe von 1,95 Gramm Chininsulfatdihydrat).

Chinin wirkt schmerzstillend, in unmittelbarer Umgebung betäubend und fiebersenkend. In China wird es aufgrund der fiebersenkenden und schmerzstillenden Wirkung in geringen Dosen Mitteln zur Behandlung von grippalen Infekten beigemischt.

In der pharmazeutischen Zubereitung als Chininsulfat wirkt Chinin krampflösend und wird deshalb zur Vorbeugung und Behandlung bei Muskelkrämpfen (z. B. nächtlichen Wadenkrämpfen) eingesetzt. Hierbei wird jedoch eine weitaus geringere Dosis als bei der Malariabehandlung verwendet. Man geht von einer Tagesdosis von 200 bis 400 Milligramm aus. Das Chininsulfat wirkt an der motorischen Endplatte an den Verbindungsstellen zwischen Nerven und Muskelfasern. Die Funktion des Muskels wird dadurch nicht beeinträchtigt. Die Eliminationshalbwertszeit von Chininsulfat beträgt 4–18 Stunden.

In den USA ist Chininsulfat wegen schwerwiegender Nebenwirkungen, wie Blutbildveränderungen (Thrombozytopenie) bis hin zu Todesfällen, nur zur Behandlung der Malaria tropica zugelassen. In Deutschland hingegen ist die Anwendung von Chinin zur Verhütung und Behandlung nächtlicher Wadenkrämpfe zugelassen. In Studien ist die Reduzierung von Krampfhäufigkeit, Krampfintensität und Krampfdauer durch Chinin dokumentiert worden.

Unter anderem wegen der schweren Nebenwirkungen forderte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) jedoch schon länger eine Verschreibungspflicht für Limptar (Wirkstoff Chininsulfat). Dem ist der Gesetzgeber mittlerweile nachgekommen: Seit 1. April 2015 unterliegt Chinin der Verschreibungspflicht, ist also nicht mehr freiverkäuflich zu erhalten.

Chinin wirkt anregend auf die Gebärmuttermuskulatur und wurde früher als wehenförderndes Mittel eingesetzt. In diesem Zusammenhang wurde Chinin als Abortivum (Abtreibungsmittel) missbraucht, was auf Grund der Aufnahme sehr hoher Dosen oftmals zum Tod der Mutter führte. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt wegen der Wirkung auf die Gebärmuttermuskulatur in einer Publikation Schwangere vor dem Verzehr.

Gegenanzeigen

Chinin kann bei empfindlichen Personen allergische Reaktionen auslösen. Zudem sollte das Medikament bei Personen mit Überempfindlichkeiten gegen China-Alkaloide oder Xanthine vorsichtig eingesetzt werden. Personen mit Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel, Tinnitus, Optikusneuritis, Myasthenia gravis, peptischem Ulcus oder Gastritis sollten auf das Präparat verzichten. Kinder, ältere Patienten oder Patienten mit ernsthaften Herzkrankheiten, Leberkrankheiten und Nierenkrankheiten sollten kein Chininsulfat einnehmen. Da Chinin fruchtschädigend wirkt, darf es nicht von Schwangeren eingenommen werden. In der Stillzeit ist es kein geeignetes Medikament, da Chinin über die Muttermilch an den Säugling abgegeben wird.

Nebenwirkungen

Eine mögliche Oxidation des Hämoglobins durch aufgenommenes Chinin kann eine Methämoglobinämie verursachen.

Bei Chininsulfat können vor allem bei längerer Einnahme und hohen Dosen Tinnitus, Übelkeit und Sehstörungen auftreten. Weitere Nebenwirkungen betreffen den Gastrointestinaltrakt, das Nervensystem, das kardiovaskuläre System und die Haut. Überempfindlichkeiten manifestieren sich meist durch Hautrötungen, Juckreiz, Fieber, Hautausschlag, Magenbeschwerden, Ohrensausen oder Sehstörungen. Seltene Nebenwirkungen sind Hämoglobinurie, Asthma und thrombopenische Purpura.

Chinin ist wie jedes Präparat in Abhängigkeit von der Dosierung giftig. Eine Überdosis führt unter anderem zu Schwindelgefühl, Kopfschmerz, Tinnitus, Taubheit, vorübergehender Erblindung und Herzlähmung. Die Nebenwirkungen beruhen auf einer Hemmung von Enzymen der Gewebsatmung sowie einer Blockierung der Synthese der DNA. Die tödliche Dosis liegt für einen erwachsenen Menschen bei etwa fünf bis zehn Gramm Chinin. Der Tod tritt durch zentrale Atemlähmung ein.

Wechselwirkungen

Da Chinin das QT-Intervall im EKG verlängert, muss darauf geachtet werden, es nicht mit anderen Medikamenten einzunehmen, die ebenfalls eine verlängernde Wirkung auf die QT-Zeit haben. Dies könnte zu Torsade de pointes und zum Herzstillstand führen.

In der Leber hemmt Chinin den Abbau anderer Wirkstoffe und erhöht so den Wirkstoffspiegel. Vor allem bei Präparaten wie Digitalis, Muskelrelaxantien und Antikoagulantien müssen Wechselwirkungen berücksichtigt werden.

Nichtmedizinische Verwendung

Das bitter schmeckende Chinin wird in geringen Mengen Getränken wie Bitter Lemon oder Tonic Water zugesetzt. Als Höchstmenge ist in Deutschland 85 mg/kg in alkoholfreien Getränken, 300 mg/kg in Spirituosen zugelassen. Generell ist es ein beliebter Bittermacher der Lebensmittelindustrie und beispielsweise in Magenbitter zu finden.

Da es sich jedoch um eine pharmakologisch wirksame Substanz handelt, muss die Verwendung in Deutschland in alkoholfreien Getränken stets kenntlich gemacht werden.

Gelegentlich wird Chinin als Streckmittel für Heroin benutzt.

In der chemischen Reaktionsführung kann Chinin bzw. dessen Derivate in asymmetrischen Synthesen eingesetzt werden. Aufgrund der Tatsache, dass Chinin enantiomerenrein aus der Natur gewonnen werden kann, wird es besonders dazu genutzt, mit Enantiomeren diastereomere Paare zu bilden, welche sich in chemischen und physikalischen Eigenschaften unterscheiden. Damit ist eine Trennung der zuvor chemisch und physikalisch identischen Enantiomere möglich. Chinin dient zudem oft als Katalysatorbestandteil für die Induktion einer spezifischen stereochemischen Information, damit bei einer Synthese ein höherer Anteil eines Enantiomers erhalten wird (hoher ee-Wert). Beispiele sind Epoxidierungen, Dihydroxylierungen und Aminohydroxylierungen an Doppelbindungen.

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